ICC BERLIN
Die Architektenkammer Berlin spricht beim ICC (InternationalesCongressCentrum) von einer ‚einzigartigen technischen und künstlerischen Innovation‘ dieser Zeit. Architektonisch-konzeptionell war der Entwurf der Architekten Ursulina und Ralf Schüler-Witte ein Wagnis, stilistisch machte es seine 'High-Tech-Architektur' zu einer Ikone des Fortschrittsglaubens seiner Zeit. Das ICC war - außen und innen - stilprägend für die ‚West-Berliner Moderne‘ in den 1960/70er Jahren. Ein spektakuläres Licht-Leitsystem aus 50.000 Elementen orientiert die Besucher. Designelemente täuschen technische Funktionen vor. Am 9. März 2014 wurde das ICC 'aus wirtschaftlichen Gründen' endgültig geschlossen. Seitdem ist es ein ‚Lost Place‘ unter Denkmalschutz. Ein Fortführungskonzept existiert nicht. Das Land Berlin hat die horrenden Leerstandkosten zu tragen. Im Oktober 2021 wurde der schlafende Riese für zehn Tage für das Kunstprojekt der Berliner Festspiele ‚The Sun Machine Is Coming Down‘ geöffnet. Für mich die Gelegenheit, die ikonografische Innenarchitektur zu fotografieren. Den Wettbewerb zum Bau einer Multifunktionshalle auf dem Messegelände gewann 1965 das junge Architektenehepaar Ralf Schüler und Ursulina Schüler-Witte. Die Vorgaben seitens des West-Berliner Senats änderten sich mehrfach und als die Bauarbeiten 10 Jahre später, 1975 begannen, war aus der einfachen Halle das größte und teuerste deutsche Bauvorhaben seit dem Zweiten Weltkrieg geworden. 1979, nach vierjähriger Bauzeit eröffnet, war es eines der größten Kongresshäuser der Welt. Allerdings machte das mit Abstand wichtigste Tagungszentrum Deutschlands, mit 80 Sälen für insgesamt 15.500 Personen eines der größten und am besten ausgelasteten Kongresshäuser weltweit, mit Auszeichnungen überhäuft, jedes Jahr Verlust. Das ICC blieb wegen immens hoher Betriebskosten und einer unökonomischen Raumaufteilung ein ewiges Zuschussobjekt. ‚High-Tech-Architektur‘, auch bekannt als ‚struktureller Expressionismus‘, ist eine Art spätmoderner Baustil, der in den 1970er Jahren entstanden ist und Elemente der High-Tech-Industrie und -Technologie in das Gebäudedesign integriert hat. Bahnbrechende wissenschaftliche und technologische Fortschritte, z.B. die erste Mondlandung 1969, hatten in den 1970er Jahren einen großen Einfluss auf die Industrienationen. Viele Menschen waren der Überzeugung, dass durch technologischen Fortschritt noch viel mehr erreicht werden könne. Technische Geräte wurden durch die Verwendung von Bildschirmen, Kopfhörern etc. alltäglich. Die ersten Computer wurden kommerziell einsetzbar. Somit war es nur konsequent, dass auch Architekten damit begannen, High-Tech in ihre Entwürfe zu integrieren. Mit diesem Ansatz erneuerte die ‚High-Tech-Architektur‘ den Glauben an den Fortschritt und an die Fähigkeit der Technologie, die Welt zu verbessern. Angesichts der Klimaerwärmung der Welt und der Herausforderung, ihr zu begegnen, ein aktuellerer Gedanke denn je. Die ‚High-Tech-Architektur‘ hat ihren Namen aus dem Buch ‚High Tech: The Industrial Style and Source Book for The Home‘ der Design-Journalistinnen Joan Kron und Suzanne Slesin von 1978. Das Vorwort zum Buch schrieb der Architekt Emilio Ambasz, ehemals Kurator der Designabteilung des Museum of Modern Art. Architektonischer Ausdruck dieser Denkweise sind z.B. sichtbar gelassene Tragwerke und Versorgungssysteme. Bevorzugt werden industrielle Fertigungsmethoden unter Verwendung von Metall, Glas, Kunststoff als sogenannte ‚saubere‘ Baumaterialien. Erstmals werden austauschbare Module beim Bauen eingesetzt (‚Plug-In-Elemente), um den Wartungsaufwand für Verschleißteile zu reduzieren. Die Technologie, die in einem Gebäude steckt, wird bei der High-Tech-Architektur ganz bewusst sichtbar gemacht. Technische Elemente und konstruktive Details werden besonders betont, zum Beispiel durch die optische Hervorhebung und Überdimensionierung von technischen und funktionalen Bestandteilen eines Gebäudes. High-Tech-Architektur erscheint insofern als ‚erneuerte Moderne‘. Allerdings mit einem großen Unterschied: Im Gegensatz zur ‚funktionalen Moderne‘ (z.B. des Bauhaus-Direktors Hannes Meyer) spielt die ‚High-Tech-Architektur‘ mit ausgewählten Bauelementen dort, wo sie es für geboten hält, gezielt eine Funktionalität vor, die für die Struktur des Gebäudes tatsächlich nur eine geringe oder sogar gar keine Bedeutung innehat – mit anderen Worten: Es kommt bei der ‚High-Tech-Architektur‘ (auch) zu einer Ästhetisierung technisch-funktionsloser Konstruktionen und damit zur Abkehr vom strengen Design-Prinzip der ‚Moderne‘, die da heißt: ‚form follows function‘ (Louis Sullivan). Die High-Tech-Architektur war in gewisser Weise eine Antwort auf die zunehmende Desillusionierung mit den Ergebnissen moderner Architektur. Die Realisierung der Stadtentwicklungspläne von z.B. Le Corbusier, Ernst May u.a. hatte zu Städten mit monotonen und standardisierten Gebäuden geführt. High-Tech-Architektur sollte dem etwas entgegenstellen. Sie griff u.a. auf die ‚Chicagoer Schule‘ zurück, die mit dem Namen Mies van der Rohe verbunden ist. Die Vorbilder waren z. B. die Hochhäuser 860–880 Lake Shore Drive Apartments und auch die früheren Ingenieurbauten z. B. von Wladimir Grigorjewitsch Schuchow. Es entstanden monumentale ‚Gebäudemaschinen‘. Frühe Beispiele der High-Tech-Architektur sind z. B. das John Hancock Center (Chicago) von Fazlur Khan, das World Trade Center (New York City) von Minoru Yamasaki oder das Centre Georges Pompidou (Paris) von Renzo Piano und Richard Rogers. Später entstanden u. a. das debis-Haus am Potsdamer Platz in Berlin, das 30 St. Mary Axe (London) von Norman Foster, Torre Agbar (Barcelona) von Jean Nouvel, der Hearst Tower (New York City) von Norman Foster (2004) oder Senedd (Cardiff Bay) von Richard Rogers. (Wikipedia)